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In der hoffnung verankert, sind wir pilgernde mit den jungen menschen

EINFÜHRUNG. IN DER HOFFNUNG VERANKERT, SIND WIR PILGERNDE MIT DEN JUNGEN MENSCHEN
1. AUF DEM WEG ZU CHRISTUS, UNSERER HOFFNUNG, UM DEN TRAUM DON BOSCOS ZU ERNEUERN
1.1 Das Heilige Jahr
1.2 Der Jahrestag der ersten salesianischen Missionsaussendung
2. HEILIGES JAHR: CHRISTUS, UNSERE HOFFNUNG
2.1 Als Pilgernde in der Hoffnung verankert
2.2 Die Hoffnung als Weg zu Christus, als Weg zum ewigen Leben
2.3 EIGENSCHAFTEN DER HOFFNUNG
2.3.1 Hoffnung, eine beständige, bereite, visionäre und prophetische Spannung
2.3.2 Hoffnung ist eine Wette auf die Zukunft
2.3.3 Hoffnung ist keine Privatsache
3. DIE HOFFNUNG ALS GRUNDLAGE DER SENDUNG
3.1 Hoffnung ist eine Einladung zur Mitverantwortung
3.2 Hoffnung fordert von der christlichen Gemeinschaft Mut bei der Evangelisierung
3.3 „DA MIHI ANIMAS“: DER „GEIST“ DER SENDUNG
3.3.1 Haltungen des Gesendeten
3.3.2 Danken, reflektieren und erneuern
4. HEILIGES JAHR UND MISSION: EINE HOFFNUNG, DIE SICH IM KONKRETEN TÄGLICHEN LEBEN NIEDERSCHLÄGT
4.1 Die Hoffnung als Kraft im täglichen Leben, die Zeugnis fordert
4.2 Hoffnung ist die Kunst der Geduld
5. DER URSPRUNG UNSERER HOFFNUNG: IN GOTT MIT DON BOSCO
5.1 Gott als Ursprung unserer Hoffnung
5.1.1 Ein rascher Blick auf den Traum
5.1.2 Don Bosco, ein „Gigant“ der Hoffnung
5.1.3 Eigenschaften der Hoffnung bei Don Bosco
5.1.4 Die „Früchte“ der Hoffnung bei Don Bosco
5.2 Die Treue zu Gott: bis zum Ende
6. MIT … MARIA – HOFFNUNG UND MÜTTERLICHE GEGENWART


EINFÜHRUNG. IN DER HOFFNUNG VERANKERT, SIND WIR PILGERNDE MIT DEN JUNGEN MENSCHEN
Liebe Schwestern und Brüder der verschiedenen Gruppen der salesianischen Familie Don Boscos, zu Beginn des neuen Jahres 2025 grüße ich Euch herzlich!

Ich wende mich nicht ohne Emotionen an Euch alle in dieser Zeit der Gnade, die durch zwei wichtige Ereignisse für das Leben der Kirche und unserer Familie geprägt ist: das Heilige Jahr 2025, das am 24. Dezember 2024 feierlich mit der Öffnung der Heiligen Pforte des Petersdoms im Vatikan begonnen hat, und der 150. Jahrestag der ersten Missionsaussendung durch Don Bosco am 11. November 1875 nach Argentinien und in andere Länder des amerikanischen Kontinents.

Das sind zwei wichtige Ereignisse, die sich in der Hoffnung begegnen. Tatsächlich sprach Papst Franziskus gerade von dieser Tugend als Perspektive, als er das Heilige Jahr ankündigte; ebenso verkündet die missionarische Erfahrung Hoffnung für alle: für die, die aufgebrochen sind (und noch aufbrechen), und für diejenigen, zu denen die Missionare gekommen sind.

Das Jahr, das uns geschenkt wurde, ist daher reich an Ideen für unser konkretes und tägliches Wachstum, damit unsere Menschlichkeit in der Fürsorge für andere fruchtbar werden kann … Das wird nur in den Herzen geschehen, die Gott so sehr in den Mittelpunkt stellen, dass sie sagen können: „Vor mich habe ich dich gestellt“.

In meinem Kommentar werde ich versuchen, diese Elemente hervorzuheben, um aus dem Blickwinkel des Charismas zu vertiefen, was die Kirche in diesem Jahr zu leben eingeladen ist, und um zu betonen, was uns als Familie Don Boscos zu neuen Horizonten führen muss.

1. AUF DEM WEG ZU CHRISTUS, UNSERER HOFFNUNG, UM DEN TRAUM DON BOSCOS ZU ERNEUERN
Der Titel des Jahresleitgedankens verbindet zwei Ereignisse: das ordentliche Heilige Jahr 2025 und den 150. Jahrestag der ersten Missionsaussendung durch Don Bosco nach Argentinien.

Das Zusammentreffen dieser beiden Ereignisse, das ich als „Geschenk der Vorsehung“ bezeichnen möchte, macht das Jahr 2025 wirklich zu einem außergewöhnlichen Jahr für uns alle. Noch mehr ist es das für die Salesianer Don Boscos, denn in den Monaten Februar, März und April wird das 29. Generalkapitel stattfinden, bei dem unter anderem der neue Generalobere und der neue Generalrat gewählt werden.

Es gibt also weltweite und einzelne Ereignisse, die uns auf unterschiedliche Weise betreffen und die wir mit der nötigen Tiefe und Intensität leben wollen. Denn gerade durch diese Ereignisse können wir die Freude erfahren, auf Christus zuzugehen, und wie wichtig es ist, in der Hoffnung verankert zu bleiben.

1.1 Das Heilige Jahr
Spes non confundit! Hoffnung lässt nicht zugrunde gehen!”[1]
So stellt Papst Franziskus das Heilige Jahr vor. Was für ein Wunder! Was für eine „prophetische“ Aussage!
Das Heilige Jahr ist eine Pilgerreise, um Jesus Christus wieder in den Mittelpunkt unseres Lebens und des Lebens der Welt zu stellen. Denn er ist unsere Hoffnung. Er ist die Hoffnung der Kirche und der gesamten Welt!

Wir sind uns alle bewusst, dass die Welt heute diese Hoffnung braucht, die uns in Verbindung mit Jesus Christus und den anderen Brüdern und Schwestern bringt. Wir brauchen diese Hoffnung, die uns zu Pilgernden macht, die uns in Bewegung setzt und zum Laufen bringt.

Wir sprechen deshalb von der Hoffnung als Wiederentdeckung der Gegenwart Gottes. Papst Franziskus schreibt: „Möge die Hoffnung die Herzen erfüllen!“[2], die Herzen nicht nur erwärmen, sondern sie füllen, sie bis zum Überfließen füllen!

1.2 Der Jahrestag der ersten salesianischen Missionsaussendung
Von dieser überfließenden Hoffnung waren die Herzen der Teilnehmer an der ersten salesianischen Missionsaussendung nach Argentinien vor 150 Jahren erfüllt.

Don Bosco hat von Valdocco aus sein Herz über alle Grenzen hinaus ausgeweitet und seine Söhne auf die andere Seite der Welt geschickt! Er schickt sie jenseits aller menschlichen Sicherheit, er sendet sie, dass sie fortführen, was er begonnen hatte. Er macht sich mit anderen auf den Weg, hofft und flößt Hoffnung ein. Er schickt sie einfach aus und die ersten (jungen) Mitbrüder brechen auf und gehen. Wohin? Nicht einmal sie wissen es! Aber sie vertrauen der Hoffnung, sie gehorchen. Denn es ist Gottes Gegenwart, die uns leitet.

In diesem begeisterten Gehorsam findet auch unsere aktuelle Hoffnung neue Kraft und treibt uns an, als Pilgernde aufzubrechen.

Deshalb sollte dieser Jahrestag gefeiert werden: Er hilft uns, ein Geschenk zu erkennen (keine persönliche Leistung, sondern ein kostenloses Geschenk des Herrn), er erlaubt uns, uns zu erinnern und aus dieser Erinnerung Kraft zu schöpfen, um die Zukunft anzugehen und zu gestalten.

Wir leben also, um diese Zukunft heute möglich zu machen, und zwar auf die einzige Art und Weise, die uns groß scheint: indem wir mit jungen Menschen und allen Menschen in unserer Umgebung (angefangen bei den Ärmsten und Vergessenen) den Weg auf Christus zu, unserer einzigen Hoffnung, teilen.


2. HEILIGES JAHR: CHRISTUS, UNSERE HOFFNUNG
Das Heilige Jahr bedeutet gemeinsam unterwegs zu sein, verankert in Christus, unserer Hoffnung. Aber was bedeutet das eigentlich?
Ich möchte einige Elemente der Verkündigungsbulle des Jubiläums 2025 aufgreifen, die gewisse Merkmale der Hoffnung hervorheben.

2.1 Als Pilgernde in der Hoffnung verankert[3]
Wir sind überzeugt, dass nichts und niemand uns von Christus trennen kann.[4] Denn er ist es, an dem wir uns festhalten und in dem wir verankert sein wollen und müssen. Wir können nicht ohne unseren Anker unterwegs sein.

«Denn der Anker der Hoffnung ist Christus selbst», der das Leid und die Verletzungen der Menschheit am Kreuz «vor den Vater trägt.
Der Anker hat die Form des Kreuzes, weshalb er auch in den Katakomben dargestellt wurde, um zu versinnbildlichen, dass die verstorbenen Gläubigen zu Christus, dem Erlöser gehören.

Dieser Anker ist bereits stabil im Hafen [unseres] Heils festgemacht. Unsere Aufgabe» ist es, unser Leben in ihm anzubinden, an dem Seil, «das unser Schiff an den Anker, der Christus ist, bindet.»

«Wir segeln auf den stürmischen Wellen des Meeres und müssen uns an etwas Festes anbinden. Es geht nicht mehr darum, den Anker auszuwerfen und im Meeresgrund zu befestigen. Die Aufgabe besteht jetzt darin, unser Schiff an dem Seil zu befestigen, das gleichsam vom Himmel herabhängt, wo der Anker Christi fest verankert ist. Indem wir uns an diesem Seil festmachen, sichern wir uns am Anker des Heils und machen unsere Hoffnung beständig.»

Die «Hoffnung ist sicher, wenn das […] Boot unseres Lebens sich an jenem Seil festhält, das uns an den Anker bindet, der […] in Christus, dem Gekreuzigten, befestigt ist, der zu Rechten des Vaters steht, das heißt, in der ewigen Gemeinschaft […] des Vaters, in der Liebe des Heiligen Geistes».[5]

«All das kommt im liturgischen Gebet zum Hochfest der Himmelfahrt Christi gut zum Ausdruck:

„Es jubelt in heiliger Freude deine Kirche, Vater, über das Geheimnis, das sie in dieser Liturgie feiert, denn in deinem in den Himmel aufgefahrenen Sohn ist unsere Menschheit zu dir erhoben, und wir, Glieder seines Leibes, leben in der Hoffnung, mit Christus, unserem Haupt, einst in der Herrlichkeit vereint zu sein.“[6]»

Der tschechische Schriftsteller und Politiker Vaclav Havel beschreibt Hoffnung folgendermaßen: „[Ich begreife] die Hoffnung […] als einen Zustand des Geistes […]. Hoffnung [ist] eine Dimension unserer Seele und […] in ihrem Wesen nicht abhängig von irgendwelchem Beobachten der Welt oder Abschätzen von Situationen. Hoffnung ist keine Prognostik. Sie ist Orientierung des Geistes, Orientierung des Herzens, die die unmittelbar gelebte Welt übersteigt und irgendwo in der Ferne verankert ist. […]
Ihre tiefen Wurzeln spüre ich also irgendwo im Transzendenten […]. Das Maß der Hoffnung in diesem tiefen und starken Sinn ist nicht das Maß unserer Freude am guten Lauf der Dinge“.[7] Wir könnten denken, dass Hoffnung einfach bedeutet, das Leben anzulächeln, damit es uns zurücklächelt, aber nein, wir müssen tiefer gehen, wir müssen das Seil entlanggehen, das uns zum Anker führt.

Hoffnung ist „das Maß unserer Fähigkeit, uns um etwas zu bemühen, weil es gut ist, und nicht nur, weil es garantiert Erfolg hat.“[8] Es könnte scheitern, es könnte schiefgehen: Wir hoffen nicht, dass es gut geht, wir sind nicht optimistisch. Wir arbeiten daran, dass es gelingt. „Hoffnung ist eben nicht Optimismus. Es ist nicht die Überzeugung, daß etwas gut ausgeht, sondern die Gewissheit, daß etwas Sinn hat – ohne Rücksicht darauf, wie es ausgeht.“[9]
Etwas tun, weil es Sinn hat: Darin besteht die Hoffnung, die Werte und Glauben voraussetzt.
„Und diese Hoffnung vor allen Dingen ist es auch, die uns die Kraft gibt, zu leben und es immer aufs Neue zu versuchen, seien die Bedingungen äußerlich auch so hoffnungslos“.[10]
Aber wie können wir unterwegs sein und verankert bleiben? Der Anker beschwert dich, hält dich fest, fixiert dich an Ort und Stelle. Wohin bringt uns dieser Weg? Er bringt uns zur Ewigkeit.

2.2 Die Hoffnung als Weg zu Christus, als Weg zum ewigen Leben[11]
«Diese Verheißung auf das ewige Leben überspringt gerade wegen der Art und Weise, wie sie [jedem] von uns gegeben ist, nicht unseren Lebensweg. Sie ist kein Sprung nach oben, sie bietet uns nicht an, in eine Rakete zu steigen, die sich von der Erde löst, durch den Weltraum fliegt und den Weg und den Staub des Weges unten zurücklässt oder das Schiff ohne uns mitten auf dem Meer treiben lässt.
Diese Verheißung ist eben ein Anker, der sich in der Ewigkeit festmacht, an dem wir aber mit einem Seil befestigt bleiben, welches das Schiff absichert, das auf dem Meer vorwärtssteuert. Und gerade weil dieser Anker im Himmel verankert ist, bleibt das Schiff nicht in der Mitte des Meeres stehen, sondern kann sich durch die Wellen vorwärtsbewegen.

Wenn der Anker Christi [den Menschen] auf dem Meeresgrund festmachen würde, blieben wir [alle] dort stecken, wo wir sind, und das wäre wohl bequem, ohne Probleme, aber wir würden festsitzen, nicht mehr weitergehen. Vielmehr bedeutet die Verankerung des Lebens im Himmel, dass die Verheißung, die unsere Hoffnung wachhält, unsere Reise nicht aufhält, uns nicht Sicherheit gibt in einem Zufluchtsort, wo wir anhalten und uns einschließen können, sondern Sicherheit im Gehen, Sicherheit unterwegs. Die Verheißung eines bestimmten Ziels, das Christus bereits für uns erreicht hat, macht jeden Schritt auf dem Lebensweg fest und entschlossen.»

Es ist wichtig, das Heilige Jahr als Pilgerreise zu verstehen, als Einladung, sich auf den Weg zu machen, aus sich selbst herauszugehen, um auf Christus zuzugehen.

Heiliges Jahr ist immer schon ein Synonym für Weg gewesen. Wenn du dich wirklich nach Gott sehnst, musst du dich bewegen, musst du gehen. Denn das Verlangen nach Gott, die Sehnsucht nach Gott bewegt dich, um Ihn zu finden, und führt dich gleichzeitig dahin, dich selbst und andere zu finden.

„Geboren, um nie mehr zu sterben“.[12]
Dieser Titel der Biographie der Dienerin Gottes Chiara Corbella Petrillo ist schön und bedeutsam. Ja, denn unser Auf-die-Welt-Kommen ist auf das ewige Leben ausgerichtet. Das ewige Leben ist eine Verheißung, die die Tür des Todes durchbricht und uns für immer dafür öffnet, „von Angesicht zu Angesicht mit Gott“ zu sein. Der Tod ist eine sich schließende Tür und gleichzeitig ein Tor, das für die endgültige Begegnung mit Gott weit aufgeht!

Wir wissen, wie lebendig bei Don Bosco die Sehnsucht nach dem Himmel war, die er den Jungen im Oratorium anbot und freudig mit ihnen teilte.

2.3 EIGENSCHAFTEN DER HOFFNUNG

2.3.1 Hoffnung, eine beständige, bereite, visionäre und prophetische Spannung
Gabriel Marcel[13], der so genannte Philosoph der Hoffnung, lehrt uns, dass Hoffnung sich im Gewebe einer im Werden begriffenen Erfahrung findet, „hoffen heißt, der Realität Kredit einräumen, ihr Glauben schenken, sodass sie zukunftsträchtig wird“.[14]

Erich Fromm[15] schreibt, dass Hoffnung kein untätiges Warten sei, sondern eine andauernde Spannung. Sie gleiche einem kauernden Tiger, der erst losspringt, wenn der Augenblick zum Springen gekommen ist.
Hoffen heißt, jeden Augenblick wachsam zu sein für etwas, was noch nicht passiert ist. Die Jungfrauen, die den Bräutigam mit angezündeten Laternen erwarteten, hofften, Don Bosco hoffte angesichts der Schwierigkeiten und kniete sich nieder, um zu beten.
Die Hoffnung ist in dem Augenblick bereit, in dem etwas auf dem Welt kommt.
Sie ist wachsam, aufmerksam und lauschend, sie ist in der Lage dabei zu helfen, etwas Neues zu schaffen und die Zukunft auf der Erde zum Leben zu erwecken.
Deshalb ist sie „visionär und prophetisch“. Sie lenkt unsere Aufmerksamkeit auf das, was noch nicht ist, sie ist diejenige, die hilft, etwas Neues zu gebären.

2.3.2 Hoffnung ist eine Wette auf die Zukunft
Ohne Hoffnung gibt es keine Umwandlung, keine Zukunft, es gibt nur eine Gegenwart, die aus einem unschöpferischen Optimismus besteht.
Oft denkt man, dass jemand, der hofft, ein Optimist ist, während ein Pessimist im Wesentlichen sein Gegenteil ist. So ist es nicht. Es ist wichtig, Hoffnung nicht mit Optimismus zu verwechseln. Hoffnung geht sehr viel tiefer, weil sie nicht von Launen, Gefühlen und Empfindsamkeiten abhängt. Das Wesen des Optimismus ist die angeborene Positivität. Der Optimist lebt in der Überzeugung, dass die Dinge irgendwie besser werden. Für einen Optimisten ist die Zeit geschlossen, er betrachtet nicht die Zukunft: Alles wird gut und das reicht.
Paradoxerweise ist die Zeit auch für einen Pessimisten geschlossen: Er findet sich in der Gegenwart wie in einem Gefängnis gefangen, verneint alles, ohne sich in andere mögliche Welten zu wagen. Der Pessimist ist genauso dickköpfig wie der Optimist, beide sind möglichkeitsblind, denn das Mögliche ist ihnen fremd, ihnen fehlt die Leidenschaft für das Mögliche.

Im Unterschied zu diesen beiden geht die Hoffnung eine Wette auf das ein, was weiter geht als das Bisherige, auf das, was sein könnte.

Noch einmal: Der Optimist (wie auch der Pessimist) handelt nicht, denn jede Handlung birgt ein Risiko. Weil er dieses Risiko nicht eingehen will, ist er unbeweglich, er will keinen Misserfolg erleben.
Die Hoffnung hingegen geht auf die Suche, sie versucht eine Richtung zu halten, bewegt sich auf das zu, was sie nicht kennt, nimmt Kurs auf neue Dinge. Das ist die Pilgerreise eines Christen.

2.3.3 Hoffnung ist keine Privatsache
Wir alle tragen Hoffnung in unserem Herzen. Es ist unmöglich, nicht zu hoffen. Es ist aber auch wahr, dass wir uns falsche Hoffnungen machen, wenn wir Perspektiven und Ideale in Betracht ziehen, die sich niemals verwirklichen werden, die nur Chimären und Verlockungen sind.
Ein großer Teil unserer Kultur, vor allem der westlichen, ist voller falscher Hoffnungen, die täuschen und zerstören oder die Existenz Einzelner und ganzer Gesellschaften irreparabel zugrunde richten können.
Laut dem positiven Denken genügt es, die negativen Gedanken durch andere, positive zu ersetzen, um glücklicher zu leben. Durch diesen simplen Mechanismus werden die negativen Aspekte des Lebens vollständig ausgeblendet. Die Welt erscheint wie der Marktplatz von Amazon, der uns alles, was wir haben wollen, dank unserer positiven Haltung liefern wird.

Daraus folgt: Wenn unser Wille, positiv zu denken, ausreicht, um glücklich zu sein, dann wäre jeder und jede alleine fürs eigene Glück verantwortlich.
Paradoxerweise vereinzelt dieser Kult der Positivität die Menschen, macht sie egoistisch, baut Empathie ab, weil die Menschen immer mehr mit sich selbst beschäftigt sind und sich nicht für das Leid Anderer interessieren.
Im Gegensatz zum positiven Denken wendet sich die Hoffnung nicht von den Negativitäten des Lebens ab, sie vereinzelt nicht, sondern verbindet und versöhnt, weil das Subjekt der Hoffnung nicht ich allein bin, auf mein Ego fokussiert, verschanzt in mir selbst; das Geheimnis der Hoffnung ist vielmehr ein Wir.
Deswegen sind die Schwestern der Hoffnung die Liebe, der Glaube und die Transzendenz.


3. DIE HOFFNUNG ALS GRUNDLAGE DER SENDUNG

3.1 Hoffnung ist eine Einladung zur Mitverantwortung
Hoffnung ist ein Geschenk und als solches muss sie an jeden und jede weitergegeben werden, dem oder der wir auf unserem Weg begegnen.

Der heilige Petrus drückt es klar aus: „Seid stets bereit, jedem Rede und Antwort zu stehen, der von euch Rechenschaft fordert über die Hoffnung, die euch erfüllt“.[16] Er fordert uns auf, keine Angst davor zu haben, im Alltag Rechenschaft über die Hoffnung zu geben. Das ist eine Verantwortung für uns Christen und Christinnen. Wenn wir Frauen und Männer der Hoffnung sind, dann zeigt sich das!
„Rede und Antwort zu stehen über die Hoffnung, die uns erfüllt“, wird zur Verkündigung der „Guten Botschaft“ Jesu und seines Evangeliums.

Aber warum ist eine Antwort notwendig, wenn wir nach der Hoffnung, die uns erfüllt, gefragt werden? Und warum fühlen wir das Bedürfnis, Hoffnung zu finden?

In der Verkündigungsbulle des ordentlichen Heiligen Jahres erinnert uns Papst Franziskus daran, dass „alle die Freude am Leben zurückgewinnen [müssen], denn der Mensch, der nach dem Bild Gottes und ihm ähnlich geschaffen ist, kann sich nicht damit begnügen, nur zu überleben oder sich irgendwie durchzuschlagen, sich an die Gegenwart anzupassen und sich allein mit materiellen Gütern zufriedenzugeben. Das schließt den Menschen ein im Individualismus und zersetzt die Hoffnung, es erzeugt eine Traurigkeit, die sich im Herzen einnistet und den Menschen verbittert und unduldsam werden lässt“.[17]

Eine Beobachtung, die uns trifft, weil sie die ganze Traurigkeit beschreibt, die man in unseren Gesellschaften und unseren Gemeinschaften einatmet. Es ist eine Traurigkeit, die sich hinter falscher Freude versteckt, jener Freude, die uns von den Medien, der Werbung, der Propaganda der Politiker und von so vielen falschen Propheten des Wohlbefindens ständig verkündet, versprochen und versichert wird. Wenn wir uns mit dem Wohlbefinden zufriedengeben, hindert uns das daran, uns für ein viel größeres, viel wahreres und ewiges Gut zu öffnen: jenes Gut, das Jesus und die Apostel „Seelenheil, Heil des Lebens“ nennen. Ein Gut, für das Jesus uns auffordert, uns nicht davor zu fürchten, das Leben, materielle Güter, falsche Sicherheiten, die oft in einem Augenblick zusammenbrechen, zu verlieren.

Wir haben die Aufgabe, über diese „Fragen“, die mehr oder weniger deutlich gestellt werden (auch von jungen Menschen), „Rechenschaft abzulegen“. Was wünsche ich mir für die jungen Menschen und für alle Menschen, denen ich auf meinem Weg begegne? Um was möchte ich Gott für sie bitten? Wie möchte ich, dass sich ihr Leben ändert?

Es gibt nur eine Antwort: das ewige Leben. Das ewige Leben nicht nur als ein erhabener Zustand, den wir nach dem Tod erreichen können, sondern das ewige Leben, das jetzt und hier möglich ist, das ewige Leben, wie es Jesus beschreibt: „Das aber ist das ewige Leben: dass sie dich, den einzigen wahren Gott, erkennen und den du gesandt hast, Jesus Christus“[18] – das heißt ein Leben, das durch die Gemeinschaft mit Christus und, durch Ihn, mit dem Vater erhellt ist.

Uns fällt die Aufgabe zu, die jüngeren Generationen auf diesem Weg zum ewigen Leben durch unser charakteristisches erzieherisches Handeln zu begleiten. Ein Handeln, das für uns, die Don-Bosco-Familie, eine Sendung ist. Was treibt unsere Sendung an? Es ist immer Christus, unsere Hoffnung.
Die erzieherische Sendung hat nämlich die Hoffnung als Mittelpunkt.
Letzten Endes ist die Hoffnung Gottes niemals Hoffnung nur für sich. Sie ist immer Hoffnung für die anderen: Sie vereinzelt uns nicht, sie macht uns solidarisch und sie spornt uns an, uns gegenseitig zur Wahrheit und Liebe zu erziehen.


3.2 Hoffnung fordert von der christlichen Gemeinschaft Mut bei der Evangelisierung
Mut und Hoffnung sind eine interessante Kombination. Wenn es nämlich wahr ist, dass es unmöglich ist, nicht zu hoffen, so ist es andererseits auch wahr, dass es Mut braucht, um zu hoffen. Der Mut entsteht, wenn wir denselben Blick wie Christus haben, fähig gegen alle Hoffnung zu hoffen[19], Lösungen dort zu sehen, wo es scheinbar keine Auswege zu geben scheint. Wie „salesianisch“ ist doch diese Einstellung!

All dies erfordert den Mut, man selbst zu sein, die eigene Identität als Gabe Gottes zu erkennen und seine Kräfte in eine genau bestimmte Verantwortung zu investieren. Das soll geschehen in dem Bewusstsein, dass das, was uns anvertraut wurde, nicht uns gehört, und dass wir die Aufgabe haben, es an die nächsten Generationen weiterzugeben. Das ist Gottes Herz, das ist das Leben der Kirche.

Eine Haltung, die wir bei der ersten Missionsaussendung wiederfinden.

Ich finde den Bezug auf Artikel 34 der Konstitutionen der Salesianer Don Boscos hier sehr nützlich, der hervorhebt, was unsere charismatische und apostolische Bewegung im Innersten ausmacht. Ich schlage vor, dass jede Gruppe unserer wundervoll vielfältigen Familie die hier angebotenen Elemente aufgreift und ihre jeweiligen Konstitutionen und Statuten neu liest.

Der Artikel mit dem Titel „Evangelisierung und Katechese“ lautet folgendermaßen:

„Die Salesianische Gesellschaft hatte ihren Ursprung in einem einfachen Katechismusunterricht‘. Auch für uns sind Evangelisierung und Katechese die grundlegende Dimension unserer Sendung.
Wie Don Bosco sind wir alle berufen, bei jeder Gelegenheit Erzieher zum Glauben zu sein. Unser höchstes Wissen ist es deshalb, Jesus Christus zu kennen, und unsere tiefste Freude besteht darin, allen die unergründlichen Reichtümer seines Geheimnisses zu erschließen.
Wir sind zusammen mit den Jugendlichen unterwegs, um sie zum auferstandenen Herrn zu führen. Indem sie in Ihm und seinem Evangelium den tiefsten Sinn ihres Daseins entdecken, sollen sie zu neuen Menschen heranwachsen.
Die Jungfrau Maria ist auf diesem Weg eine mütterliche Begleiterin. Wir bemühen uns darum, daß sie gekannt und geliebt wird als jene, die geglaubt hat, die hilft und Hoffnung schenkt.“

Dieser Artikel stellt das schlagende Herz dar, das – auch für diesen Jahresleitgedanken – gut umreißt, welche Energien und Möglichkeiten es gibt, um den „weltweiten Traum“, den Gott in Don Bosco erweckt hat, zu erfüllen und zu aktualisieren.

Wenn das Heilige Jahr zu leben vor allem bedeutet, dafür zu sorgen, dass Jesus an erster Stelle steht und diesen Platz wieder einnimmt, ist der missionarische Geist die Konsequenz dieses neu erkannten Vorrangs, der unsere Hoffnung stärkt und sich in jener erzieherischen und pastoralen Nächstenliebe zeigt, die allen die Person Jesu Christi verkündet. Das ist das Herz der Evangelisierung und charakterisiert die authentische Sendung.

Es ist wichtig, an den Anfang der ersten Enzyklika von Papst Benedikt XVI., Deus caritas est, zu erinnern:

„Am Anfang des Christseins steht nicht ein ethischer Entschluß oder eine große Idee, sondern die Begegnung mit einem Ereignis, mit einer Person, die unserem Leben einen neuen Horizont und damit seine entscheidende Richtung gibt“.[20]

Daher ist die Begegnung mit Christus vorrangig und grundlegend, nicht die „bloße“ Verbreitung einer Lehre, sondern eine tiefe, persönliche Gotteserfahrung, die dazu drängt, Ihn mitzuteilen, Ihn bekannt zu machen und zu erfahren, indem man zu echten „Mystagogen“ im Leben der jungen Menschen wird.

3.3 „DA MIHI ANIMAS“: DER „GEIST“ DER SENDUNG
Don Bosco betonte immer einen Satz, den die jungen Menschen lesen konnten, wenn sie an seinem Zimmer vorbeikamen, ein Ausdruck, der vor allem Dominikus Savio erschütterte: „Da mihi animas, cetera tolle”.

Es gibt ein grundlegendes Gleichgewicht, das in diesem Motto die beiden Prioritäten vereint, die Don Boscos Leben leiteten – und das wir bezeichnenderweise „Gnade der Einheit“ nennen – und die es uns ermöglichen, stets die Innerlichkeit und das apostolische Handeln zu bewahren.

Wenn im Herzen die Gottesliebe fehlt, wie soll es dann echte pastorale Nächstenliebe geben? Und wenn der Apostel nicht das Antlitz Gottes in seinem Nächsten entdeckt, wie könnte man dann sagen, dass er Gott liebt?

Das Geheimnis Don Boscos besteht darin, dass er persönlich die eine „Liebe zu Gott und den Brüdern“[21] gelebt hat, die den salesianischen Geist charakterisiert.

3.3.1 Haltungen des Gesendeten
Es gibt im Leben Don Boscos zwei Schlüsselträume, in denen die Haltungen des Apostels, desjenigen der gesendet ist, deutlich werden:
der „Traum mit neun Jahren“, in dem Jesus und Maria den kleinen Johannes bitten, sich durch Gehorsam und Wissen demütig, stark und kräftig zu machen, ihm für immer die Güte empfehlen, um die Herzen der Jungen zu gewinnen und Maria immer als seine Lehrmeisterin und Führerin zu behalten;
der „Traum von der Rosenlaube“, der auf die „Leidenschaft“ im salesianischen Leben hinweist, die es erfordert, die „guten Schuhe“ der Selbstverleugnung und der Nächstenliebe zu tragen.

3.3.2 Danken, reflektieren und erneuern
Die Feier des 150. Jahrestages der ersten Missionsaussendung durch Don Bosco stellt ein großes Geschenk dar, denn wir können
es anerkennen und Gott dafür danken.Die Dankbarkeit macht die Urheberschaft jeder guten Tat offenkundig. Ohne Dankbarkeit sind wir nicht fähig zu empfangen. Wann immer wir für ein Geschenk in unserem persönlichen und institutionellen Leben nicht danken, laufen wir ernsthaft Gefahr, es zunichtezumachen, indem wir uns seiner „bemächtigen“.
es wieder bedenken, denn „nichts ist für immer“.Die Treue beinhaltet die Fähigkeit, sich im Gehorsam gegenüber einer Vision zu ändern, die von Gott und aus dem Achten auf die „Zeichen der Zeit“ kommt. Nichts ist für immer: Aus persönlicher und institutioneller Sicht besteht echte Treue in der Fähigkeit, sich zu ändern und zu erkennen, wozu der Herr einen jeden von uns beruft.
Das erneute Bedenken wird so zu einem schöpferischen Akt, in dem sich Glaube und Leben vereinen; ein Augenblick, um sich zu fragen: Was will uns der Herr mit dieser Person, mit dieser Situation im Licht der Zeichen der Zeit sagen, die, um gedeutet zu werden, verlangen, das Herz Gottes zu haben?
es erneuern, jeden Tag neu beginnen.Die Dankbarkeit führt dazu, weit nach vorne zu blicken und neue Herausforderungen anzunehmen, um die Sendung mit Hoffnung zu erneuern. Die Sendung besteht darin, die Hoffnung auf Christus klar und deutlich zu vermitteln, wobei die Rückbindung an den Glauben erkennen lässt, dass das, was ich sehe und erlebe, „nicht meine Privatsache ist“.

4. HEILIGES JAHR UND MISSION: EINE HOFFNUNG, DIE SICH IM KONKRETEN TÄGLICHEN LEBEN NIEDERSCHLÄGT

4.1 Die Hoffnung als Kraft im täglichen Leben, die Zeugnis fordert
Der heilige Thomas von Aquin schreibt: „Spes introducit ad caritatem“[22], die Hoffnung bereitet vor und stimmt unser Leben, unsere Menschlichkeit auf die Nächstenliebe ein. Eine Nächstenliebe, die auch Gerechtigkeit und soziales Handeln ist.

Die Hoffnung braucht das Zeugnis. Wir sind das Herzstück der Sendung, denn Sendung bedeutet nicht in erster Linie, etwas zu tun, sondern sie ist Zeugnis desjenigen, der eine Erfahrung gemacht hat und davon erzählt. Der Zeuge ist Träger der Erinnerung, er wirft Fragen auf bei dem, der ihm begegnet, und sorgt für Erstaunen.

Das Zeugnis der Hoffnung erfordert eine Gemeinschaft, es ist ein Gemeinschaftswerk, das ansteckend wirkt, so wie unsere Menschlichkeit andere ansteckt, denn das Zeugnis ist die Verbindung mit dem Herrn.

Die Hoffnung auf das Zeugnis der Sendung muss von Generation zu Generation aufgebaut werden, zwischen Erwachsenen und jungen Menschen: Das ist der Weg zur Zukunft. In unserer Kultur frisst das Konsumverhalten die Zukunft, die Ideologie des Konsums löscht alles im „hier und jetzt“, im „alles und sofort“ aus. Die Zukunft jedoch lässt sich nicht konsumieren, du kannst dir nicht das aneignen, was anders ist als du, du kannst dir den Anderen nicht aneignen.[23]

Beim Aufbau der Zukunft ist die Hoffnung die Fähigkeit, Versprechen zu geben und zu halten – etwas Großartiges und Seltenes in unserer Welt. Versprechen heißt hoffen, sich in Bewegung setzen, deshalb ist die Hoffnung – wie gesagt – Unterwegssein, sie ist die Kraft des Unterwegsseins.

4.2 Hoffnung ist die Kunst der Geduld
Jedes Leben, jede Gabe, alle Dinge brauchen Zeit, um zu wachsen. So benötigen auch die Gottesgaben Zeit, um zu reifen. Deshalb wird von uns heutzutage, wo alles sofort „konsumiert“ wird, unsere Zeit und unser Leben, besonders gefordert, der Tugend der Geduld Atem und Kraft zu geben: Denn in der Hoffnung verwirklicht sich die Geduld.[24] Hoffnung und Geduld sind nämlich eng miteinander verbunden.

Die Hoffnung enthält die Fähigkeit, warten zu können, auf das Wachstum zu warten, als ob man sagen wollte: „Eine Tugend führt zur anderen“!

Damit die Hoffnung Wirklichkeit wird, sich vollendet zeigt, braucht es Geduld. Nichts zeigt sich auf wunderbare Weise, weil alles dem Gesetz der Zeit unterworfen ist. Die Geduld ist die Kunst des Bauern, der sät und zu warten weiß, bis die gesäte Saat wächst und Früchte trägt.

«Die Hoffnung beginnt in uns als Erwartung und wird als bewusst gelebtes Warten in unserem Menschsein geübt. Das Warten ist eine sehr wichtige Dimension der menschlichen Erfahrung. Der Mensch versteht zu warten, der Mensch lebt immer in einer Dimension des Wartens, denn er ist das Geschöpf, das bewusst in der Zeit lebt.»

«Das menschliche Warten ist das wahre Maß der Zeit, ein Maß, das nicht numerisch, nicht chronologisch ist. Wir haben uns daran gewöhnt, das Warten zu berechnen; wir sagen, dass wir eine Stunde gewartet haben, dass der Zug fünf Minuten Verspätung hat, dass das Internet uns 14 unendliche Sekunden hat warten lassen, bevor es auf den Klick reagiert hat. Aber wenn wir das Warten auf diese Weise messen, berauben wir es seines Wesens, wir machen es zu einer Sache, zu einem Phänomen, das losgelöst ist von uns und dem, worauf wir warten. Es wird dann sozusagen zu einer Sache, die für sich selbst, in sich selbst existiert, ohne Beziehung. Warten jedoch ist das Gegenteil: Es ist Beziehung, und das ist der entscheidende Punkt, es ist eine Dimension des Geheimnisses der Beziehung.»

Nur wer Hoffnung hat, hat Geduld. Nur wer Hoffnung hat, ist in der Lage, alle Situationen, die das Leben mit sich bringt, zu „ertragen“, sie „von unten zu stützen“. Wer ausharrt, der wartet, der hofft und kann ertragen, gerade weil der Sinn seiner Mühe das Warten ist, die Spannung des Wartens, die liebende Kraft des Wartens.

Wir wissen, dass es manchmal Erfahrungen der Mühsal, der Arbeit, des Schmerzes und des Todes sind, die uns zu Geduld und Warten zurückrufen.[25] Mühsal, Schmerz und Tod entlarven die Illusion, Zeit zu besitzen, den Sinn der Zeit, den Wert der Zeit zu besitzen, den Sinn und den Wert unseres Lebens. Das ist natürlich eine negative, aber auch eine positive Erfahrung, denn Mühsal, Schmerz und Tod können Gelegenheiten sein, den wahren Sinn der Zeit unseres Lebens wiederzuentdecken.

Es geht noch einmal darum, „Rede und Antwort zu stehen über die Hoffnung, die uns erfüllt“, die „Gute Botschaft“ Jesu und seines Evangeliums zu verkünden.

5. DER URSPRUNG UNSERER HOFFNUNG: IN GOTT MIT DON BOSCO
Don Egidio Viganò hat der Kongregation und der Don-Bosco-Familie eine interessante Reflexion über das Thema Hoffnung geschenkt, wobei er auf unsere sehr reiche Tradition zurückgriff und einige spezifische Merkmale des salesianischen Geistes im Lichte dieser theologischen Tugend hervorhob. Insbesondere geschah dies durch seinen Kommentar zu Don Boscos Traum von den zehn Diamanten für die Teilnehmerinnen des Generalkapitels der Don-Bosco-Schwestern.[26]

Angesichts des tiefgründigen Inhalts finde ich es sinnvoll, an den Beitrag des siebten Nachfolgers Don Boscos zu erinnern, um uns daran zu erinnern, wozu wir alle berufen sind, und zwar einmal mehr aus der Perspektive der Hoffnung.

5.1 Gott als Ursprung unserer Hoffnung
5.1.1 Ein rascher Blick auf den Traum
Die Erzählung dieses außergewöhnlichen Traums, den Don Bosco in der Nacht vom 10. auf den 11. September 1881 in San Benigno Canavese hatte, ist allen bekannt. Ich fasse seinen Aufbau kurz zusammen.[27]

Der Traum entwickelt sich in drei Szenen. In der ersten verkörpert die Person das Profil des Salesianers: Auf der Vorderseite seines Mantels zeigt er fünf Diamanten, drei auf der Brust, die für „Glaube“, „Hoffnung“ und „Liebe“ stehen, sowie zwei, „Arbeit“ und „Mäßigkeit“, auf den Schultern; auf der Rückseite befinden sich weitere fünf Diamanten, die für „Gehorsam“, „Armutsgelübde“, „Lohn“, „Keuschheitsgelübde“ und „Fasten“ stehen.

Don Rinaldi nannte diese Person mit den zehn Diamanten: „Das Modell des echten Salesianers“.

In der zweiten Szene zeigt die Person eine Verfälschung des Modells: Ihr Mantel „war verblichen, von Motten zerfressen und zerrissen. An den Stellen, auf denen die Diamanten gesessen hatten, waren jetzt verdorbene Stellen, die von Motten und anderen Insekten zerfressen waren“.

Diese so traurige und deprimierende Szene zeigt „die Kehrseite des echten Salesianers“, den Antisalesianer.

In der dritten Szene erscheint „ein anmutiger Jüngling, angetan mit einem weißem, mit Gold- und Silberfäden verarbeiteten Gewand […], hoheitsvoll, aber auch liebreich und freundlich“. Er überbringt eine Botschaft. Er fordert die Salesianer auf, zu „hören“, zu „verstehen“, „eifrig und stark“ zu bleiben, mit Worten und dem Leben „Zeugnis zu geben“, „Obacht zu geben“ bei der Aufnahme und Ausbildung der neuen Generationen und ihre Kongregation gesund wachsen zu lassen.

Die drei Traumszenen sind lebhaft und provokativ; sie präsentieren uns eine beweglich, persönlich und dramatisch gehaltene Synthese der salesianischen Spiritualität. Der Inhalt des Traums bildet im Geist Don Boscos gewiss einen wichtigen Bezugspunkt für unsere Berufungsidentität.

Nun, die Person im Traum trägt bekanntlich den Diamanten der Hoffnung auf der Vorderseite. Dieser steht für die Gewissheit, dass man in einem ganz und gar schöpferischen, engagierten Leben, das Tag für Tag praktische Aktivitäten für das Heil vor allem der Jugend plant, Hilfe von oben erhält. Zusammen mit den anderen Symbolen der theologischen Tugenden entsteht das Bild einer Person, die weise und optimistisch ist, weil der Glaube sie beseelt, dynamisch und schöpferisch, weil die Hoffnung sie bewegt, immer betend und menschlich gut, weil die Liebe sie durchdringt.

Entsprechend zum Diamanten der Hoffnung finden wir auf der Rückseite der Person den Diamanten des „Lohns“. Wenn die Hoffnung den Schwung und das Tun des Salesianers beim Aufbau des Reich Gottes sichtbar hervorhebt, wenn die Beständigkeit seiner Bemühungen und die Begeisterung seines Engagements auf der Gewissheit der Hilfe Gottes beruhen, die durch die Vermittlung und Fürsprache Christi und Marias gegenwärtig wird, dann betont der Diamant des „Lohns“ eher eine beständige Gewissenshaltung, die das gesamte asketische Bemühen durchdringt und belebt, gemäß der bekannten Maxime Don Boscos: „Ein Stückchen Paradies macht alles gut!“[28]

5.1.2 Don Bosco, ein „Gigant“ der Hoffnung
Don Bosco sagte, dass der Salesianer bereit ist, „Hitze und Kälte, Hunger und Durst, Mühen und Verachtung zu ertragen, wenn es um die Ehre Gottes und das Heil der Menschen geht“[29]; die innere Stütze dieser anspruchsvollen asketischen Fähigkeit ist der Gedanke an das Paradies als Spiegelbild des guten Gewissens, mit dem er arbeitet und lebt. „Bei unseren Aufgaben, bei unserer Arbeit, in Schmerz und Leid, lasst uns nie vergessen, dass […] Er genau Buch führt über jede kleinste Sache, die wir für seinen heiligen Namen tun, und dass wir glauben, dass er uns zu seiner Zeit reichlich entschädigen wird. Am Lebensende, wenn wir vor seinem göttlichen Gericht stehen, wird Er uns liebevoll anschauen und zu uns sagen: „Sehr gut, du tüchtiger und treuer Diener. Über Weniges warst du treu, über Vieles werde ich dich setzen. Komm, nimm teil am Freudenfest deines Herrn! (Mt 25,21)“.[30] „Vergiss nie in Not und Leid, dass im Himmel ein großer Lohn für uns vorbereitet ist“.[31] Und wenn unser Vater sagt, dass der von zu viel Arbeit erschöpfte Salesianer einen Sieg für die ganze Kongregation darstellt, scheint er sogar eine Dimension der brüderlichen Communio in der Belohnung anzudeuten, gleichsam einen gemeinschaftlichen Sinn des Paradieses!

Der ständige Gedanke an das Paradies ist eine der maßgeblichen Ideen und eine der Triebkräfte typischer Spiritualität und auch der Pädagogik Don Boscos. Es ist, als würde man den Urinstinkt der Seele, die lebenskräftig auf ihr letztes Ziel zusteuert, vertiefend beleuchten.

In einer Welt, die anfällig für Verweltlichung und einen fortschreitenden Verlust des Gottesbewusstseins ist – vor allem aufgrund einer gewissen Mehrung des Wohlstands –, ist es wichtig, der Versuchung zu widerstehen – für uns und für die jungen Menschen, mit denen wir unterwegs sind –, die uns daran hindert, den Blick zum Himmel zu erheben. Sie vermittelt uns nicht das Bedürfnis, eine in unserer täglichen Arbeit gelebte Verpflichtung zur Askese aufrechtzuerhalten und zu pflegen. An ihrer Stelle wächst ein weltlicher Blick, der mehr oder weniger horizontal ausgerichtet ist und glaubt, das Ideal von allem in menschlicher Entwicklung rein im gegenwärtigen Leben entdecken zu können. Das ist ganz das Gegenteil von Hoffnung!
«Don Bosco ist einer der Großen der Hoffnung. Viele Elemente zeigen das. Sein ganzer salesianischer Geist ist durchdrungen von der Gewissheit und dem Fleiß, die für diesen kühnen Schwung des Heiligen Geistes charakteristisch sind.»

Ich halte kurz inne, um daran zu erinnern, wie Don Bosco «in der Lage war, die Kraft der Hoffnung auf zwei Seiten seines Lebens zu übertragen: den Einsatz für die persönliche Heiligung und den Heilsauftrag für die anderen; besser noch – und hier liegt ein zentrales Merkmal seines Geistes – die persönliche Heiligung durch das Heil der anderen.» Wir denken «an die berühmte Formel der drei „S“: „Salve, salvando salvati“.[32] So einfach ausgedrückt, klingt es wie ein Gedächtnisspiel, wie ein pädagogischer Slogan, aber es ist tiefgründig und zeigt, wie die beiden Seiten der persönlichen Heiligung und des Heils des Nächsten eng miteinander verbunden sind.»

In dem Wortpaar „Arbeit“ und „Mäßigkeit“ «erkennt man, dass die Hoffnung von Don Bosco als praktische, tägliche Planung eines unermüdlichen Fleißes für Heiligung und Heil gelebt wurde. Sein Glaube führte ihn dahin, in der Betrachtung von Gottes Geheimnis seinen unvergleichlichen Heilsplan vorzuziehen. Er sieht in Christus den Retter der Menschheit und den Herrn der Geschichte; in seiner Mutter Maria die Helferin der Christen; in der Kirche das große Heilssakrament; im eigenen christlichen Reifen und in der bedürftigen Jugend das weite Feld des „Noch-nicht“. Deshalb bricht sein Herz in den Schrei aus: „Da mihi animas, cetera tolle!“ Herr, gewähre mir, die Jugend zu retten, und nimm alles andere weg von mir! In seinem Geist verschmelzen die Nachfolge Christi und die Sendung zur Jugend zu einer einzigen theologischen Dynamik, die das Rückgrat des Ganzen bildet.»

Wir wissen sehr wohl, dass die Dimension der christlichen Hoffnung die Perspektive des „Schon“ mit der des „Noch-nicht“ verbindet: etwas Gegenwärtiges und etwas Entstehendes, das sich jedoch ab heute zu zeigen beginnt, wenn auch „noch nicht“ in seiner Fülle.

5.1.3 Eigenschaften der Hoffnung bei Don Bosco
«Die Gewissheit des „Schon“
Wenn wir die Theologie fragen, was der formale Gegenstand der Hoffnung ist, antwortet sie uns, dass es die innige Überzeugung von der Gegenwart Gottes ist, der hilft, der beisteht und unterstützt; die innere Gewissheit über die Kraft des Heiligen Geistes; die Freundschaft mit dem siegreichen Christus», die uns mit dem heiligen Paulus sagen lässt: „Alles vermag ich durch den, der mich stärkt“ (Phil 4,13).
«Das erste wesentliche Element der Hoffnung ist daher die Gewissheit des „Schon“. Die Hoffnung ermuntert den Glauben, sich in der Betrachtung von Gottes heilbringender Gegenwart in den menschlichen Wechselfällen, der Kraft des Heiligen Geistes in der Kirche und in der Welt, des Königtums Christi über die Geschichte sowie der Werte der Taufe, die in uns das Leben der Auferstehung begonnen hat, zu üben.»
«Das erste wesentliche Element der Hoffnung ist daher die Ausübung des Glaubens an das Wesen Gottes als barmherzigen Vater und Retter, an das, was Jesus Christus bereits für uns getan hat, an Pfingsten als Beginn des Zeitalters des Heiligen Geistes, an das, was bereits in uns ist durch die Taufe, durch die Sakramente, durch das Leben der Kirche sowie durch den persönlichen Ruf unserer Berufung.
Wir müssen bedenken, dass Glaube und Hoffnung sich in uns austauschen, ihre Dynamiken sich gegenseitig anregen und ergänzen und dass sie uns in einem schöpferischen Klima der übernatürlichen Kraft des Heiligen Geistes leben lassen.

Das klare Bewusstsein des „Noch-nicht“
Das zweite wesentliche Element der Hoffnung ist das Bewusstsein des „Noch-nicht“. Es scheint nicht sehr schwer zu sein, es zu haben; die Hoffnung erfordert jedoch ein klares Bewusstsein nicht so sehr von dem, was böse und ungerecht ist, sondern eher von dem, was an der Statur Christi in der Zeit fehlt, und daher von dem, was ungerecht und sündig ist, und auch von dem, was unreif, unvollständig oder kümmerlich beim Aufbau des Reiches Gottes ist.
Das setzt als Bezugsrahmen ein klares Wissen über den göttlichen Heilsplan voraus, in den sich die Kritik- und Urteilsfähigkeit des Hoffenden einfügt. Die Kritik am Menschen der Hoffnung ist also nicht einfach psychologisch oder soziologisch, sondern transzendent, entsprechend dem theologischen Bereich der „neuen Schöpfung“; sie bedient sich auch der Beiträge der Humanwissenschaften und geht weit darüber hinaus.
Mit dem Bewusstsein des „Noch-nicht“ nimmt der Hoffende wahr, was böse ist, was noch nicht reif ist, was in Bezug auf das Reich Gottes noch Samen ist, und bemüht sich, das Gute wachsen zu lassen und die Sünde mit der historischen Perspektive Christi zu bekämpfen. Die Fähigkeit, das „Noch-nicht“ zu erkennen, wird immer an der Gewissheit des „Schon“ gemessen. Deshalb drängt und ermuntert der Hoffende – und ich würde sagen, besonders in schwierigen Zeiten –, seinen Glauben, die Zeichen der Gegenwart Gottes und die Fürsprache zu entdecken, die uns in die von Ihm vorgezeichnete Bahn führen. Das ist heute eine sehr wichtige Eigenschaft: die Samen erkennen zu können, um ihnen beim Keimen und Wachsen zu helfen.
Wie kann man hoffen, wenn es nicht diese Fähigkeit zur Erkenntnis gibt? Es reicht nicht aus, das ganze Gewicht des Bösen wahrzunehmen, man muss auch sensibel für den Frühling sein, der „rundherum leuchtet“. In diesen Zeiten, von denen wir sagen, dass sie schwierig sind (und das sind sie wirklich im Vergleich mit den früher erlebten Zeiten von einer gewissen Ruhe), hilft uns also die Hoffnung wahrzunehmen, dass es auch viel Gutes in der Welt gibt und dass etwas dabei ist zu wachsen.»

«Rettender Eifer
Ein drittes wesentliches Element der Hoffnung ist ihr wirksamer Anspruch, der von dem konkreten Einsatz zur Heiligung, zu apostolischer Erfindungsgabe und zu Opferbereitschaft begleitet wird. Wir müssen mit dem wachsenden „Schon“ zusammenarbeiten, wir müssen uns bewegen, um gegen das Böse in uns und in den anderen, besonders in der bedürftigen Jugend, zu kämpfen.
Die Unterscheidung des „Schon“ und des „Noch-nicht“ muss sich in der Lebenspraxis niederschlagen, indem man sich für Vorsätze, Pläne, Überprüfungen, Einfallsreichtum, Geduld und Beständigkeit öffnet. Nicht alles wird sich so ergeben, „wie wir es uns erhofft haben“: Es wird Rückschläge und Niederlagen, Misserfolge und Missverständnisse geben. Die christliche Hoffnung hat auch Anteil an den Dunkelheiten des Glaubens.»

5.1.4 Die „Früchte“ der Hoffnung bei Don Bosco
«Aus den drei wesentlichen Elementen der Hoffnung, die ich gerade genannt habe, ergeben sich einige besonders bedeutsame Früchte für den salesianischen Geist Don Boscos.»

Freude
«Aus dem ersten wesentlichen Element – die Gewissheit des „Schon“ – ergibt sich die Freude als charakteristische Frucht.Jede echte Hoffnung mündet in Freude. […]
Der salesianische Geist nimmt die Freude der Hoffnung durch eine ganz eigene Affinität auf. Sogar die Biologie bietet dafür einige Beispiele. Die Jugend, die die menschliche Hoffnung ist (und damit eine gewisse Analogie zum Geheimnis der christlichen Hoffnung nahelegt), ist gierig nach Freude. Und wir sehen, wie Don Bosco die Hoffnung in eine Atmosphäre der Freude für die zu rettende Jugend übersetzt. Dominikus Savio, der in seiner Schule aufwuchs, sagte: „Unsere Heiligkeit soll in der Fröhlichkeit bestehen.“ Es handelt sich nicht um eine für die Welt typische, oberflächliche Heiterkeit, sondern um eine innere Freude, eine Grundlage für den christlichen Sieg, einen lebendigen Einklang mit der Hoffnung, der in Fröhlichkeit mündet. Eine Freude, die letztlich aus der Tiefe des Glaubens und der Hoffnung hervorgeht.
Es gibt wenig zu machen. Wenn wir traurig sind, sind wir es, weil wir oberflächlich sind. Ich verstehe, dass es eine christliche Traurigkeit gibt: Jesus Christus hat sie gelebt. Im Garten Gethsemane war seine Seele zu Tode betrübt, er hat Blut geschwitzt. Es handelt sich gewiss um eine andere Art der Traurigkeit.
Aber der Kummer oder die Melancholie, durch die eine Schwester[33] den Eindruck hat, dass sie von niemanden verstanden wird, dass die anderen keine Rücksicht auf sie nehmen, dass sie auf ihre Qualitäten eifersüchtig sind oder kein Verständnis für diese haben usw., sind eine Traurigkeit, die nicht genährt werden sollte. Dem muss die tiefgehende Hoffnung gegenübergestellt werden: Gott ist bei mir und hat mich gern; was macht es da schon, dass andere nicht so viel von mir halten?
Freude gehört im salesianischen Geist zum Alltagsklima; sie entspringt einem Glauben, der hofft, und einer Hoffnung, die glaubt, das heißt aus der Dynamik des Heiligen Geistes, der in uns den Sieg verkündet, der die Welt überwindet! … Freude ist unverzichtbar, um ein authentisches Zeugnis für das abzulegen, woran wir glauben und worauf wir hoffen.
Der salesianische Geist ist in erster Linie dies und kann nicht auf bloße Observanz und Selbstüberwindung reduziert werden. Die Hoffnung bringt uns auch zur Selbstverleugnung, aber als Flugübung und nicht als Gefängnisstrafe! Also: aus der Hoffnung viel Freude! […]
Die Welt versucht, ihre Begrenztheit und Orientierungslosigkeit mit einem Leben voller aufregender Empfindungen zu überwinden. Sie kultiviert die Förderung und Befriedigung der Empfindungen, den aufreizenden Film, Erotik, Drogen usw. Es ist eine Möglichkeit, einer vorübergehenden Situation zu entkommen, die keinen Sinn zu haben scheint, um etwas zu suchen, das an eine „Karikatur der Transzendenz“ grenzt.»

Geduld
«Eine andere „Frucht“ der Hoffnung, die aus dem Bewusstsein des „Noch-nicht“ hervorgeht, ist die Geduld.Zu jeder Hoffnung gehört eine gehörige Portion Geduld. Geduld ist eine christliche Haltung, die untrennbar mit der Hoffnung in deren nicht kurzer Spanne des „Noch-nicht“, mit ihren Sorgen, ihren Schwierigkeiten und ihrer Dunkelheit verbunden ist. Es erfordert eine innere Struktur der Hoffnung, die zur Geduld führt, wenn wir an die Auferstehung glauben und für den Sieg des Glaubens handeln wollen, während wir sterblich und ins Vergängliche eingetaucht sind.
Den erhabensten Ausdruck der christlichen Geduld hat Jesus Christus vor allem während seiner Passion und seines Sterbens gelebt. Es ist eine fruchtbare Geduld, gerade wegen der Hoffnung, die sie beseelt. […] Hier geht es bei der Geduld nicht um Initiative und Handeln, sondern um die bewusste Akzeptanz und tugendhafte Passivität, die im Hinblick auf die Verwirklichung von Gottes Plan erduldet. […]
Der salesianische Geist Don Boscos mahnt uns oft zur Geduld. In der Einleitung zu den Konstitutionen erinnert uns Don Bosco in Anspielung auf den heiligen Paulus daran, dass die Mühen, die wir in diesem Leben ertragen müssen, dem Lohn, der auf uns wartet, in nichts nachstehen: „Er pflegte zu sagen: Nur Mut! Die Hoffnung stützt uns, wenn die Geduld zu fehlen scheint“.[34] „Was die Geduld aufrechterhält, muss die Hoffnung auf den Lohn sein“.[35]
Auch Maria Dominika Mazzarello bestand auf diesem Punkt. [Einer ihrer ersten Biographen], Maccono bestätigt, dass die Hoffnung sie immer tröstete, sie in ihren Leiden, Schwächen und Zweifeln unterstützte und sie in der Stunde des Todes aufmunterte: „Ihre Hoffnung war sehr lebendig und aktiv. Es scheint mir“, bezeugte eine Schwester, „dass die Hoffnung sie in allem beseelte und sie versuchte, diese anderen einzuflößen. Sie ermahnte uns, die kleinen täglichen Kreuze gut zu tragen und alles in reinster Absicht zu tun“.[36] […]
Die Hoffnung ist die Mutter der Geduld und die Geduld ist die Verteidigung und der Schild der Hoffnung.»

Erzieherische Sensibilität
«Aus dem dritten wesentlichen Element der Hoffnung – dem „rettenden Eifer“ – geht eine weitere Frucht hervor: die pädagogische Sensibilität.Sie ist ein angemessen engagierter Unternehmungsgeist, sowohl im Bereich der eigenen Heiligung (Nachfolge Christi) als auch im Bereich des Heils der anderen (Sendung). Sie bringt ein praktisches, maßvolles und beständiges Engagement mit sich, das Don Bosco in eine konkrete Methodik umgesetzt hat», die auf folgende Dinge Acht gibt:
«Schlauheit (oder die heilige „Schläue“): Wenn es darum geht, Initiative zu ergreifen oder Probleme zu lösen, tut Don Bosco alles, was er kann, ohne den Anschein von Perfektionismus, sondern mit schlichter Zweckmäßigkeit. Oft wiederholte er folgenden Satz: „Das Beste ist der Feind des Guten“.[37]»
Kühnheit. «Das Böse ist organisiert, die Kinder der Finsternis handeln durchdacht. Das Evangelium sagt uns, dass die Kinder des Lichtes schlauer und mutiger sein müssen. Um in der Welt zu arbeiten, muss man sich daher mit echter Klugheit wappnen, das heißt mit jenem „auriga virtutum“ [= Steuermann der Tugenden], wodurch wir wendig, reaktionsschnell und hartnäckig sind, wenn wir uns mit wahrer Unerschrockenheit für das Gute einsetzen wollen.»
Großmut. «Wir dürfen unseren Blick nicht in den Wänden unseres Zuhauses einsperren. Wir sind vom Herrn gerufen, die Welt zu retten, wir haben eine historische Mission, die wichtiger ist als die der Astronauten oder Wissenschaftler … Wir setzen uns für die ganzheitliche Befreiung des Menschen ein. Unsere Seele muss für sehr weit gefasste Perspektiven offen sein. Don Bosco wollte, dass wir „zur Vorhut des Fortschritts“ gehören (und er sagte diesen Satz in Bezug auf die sozialen Kommunikationsmittel).»
«Wir kennen Don Boscos Großmut, wenn es darum geht, junge Menschen in apostolische Verantwortung zu entlassen;» denken wir, zum Beispiel, an die ersten nach Amerika aufgebrochenen Missionare. Sowohl die Salesianer als auch die Don-Bosco-Schwestern waren kaum erst aus dem Jungen- und Mädchenalter heraus!
Don Bosco bewegte sich innerhalb eines weiten Horizonts. Weder Valdocco noch Mornese waren ausreichend für ihn; er konnte nicht nur innerhalb der Grenzen Turins, des Piemonts, Italiens oder Europas bleiben. Sein Herz schlug mit dem der Weltkirche, denn er fühlte sich geradezu dazu verpflichtet, die gesamte bedürftige Jugend der Welt zu retten. Er wollte, dass die Salesianer die größten und dringendsten Probleme der Kirche mit der Jugend als ihre eigenen betrachteten, damit sie überall zur Verfügung stehen können. Während er den Großmut bei Projekten und Initiativen kultivierte, war er konkret und praktisch bei ihrer Umsetzung, mit einem Sinn für ein schrittweises Vorankommen und für bescheidene Anfänge.»
«Auf dem Antlitz des Salesianers muss immer Großmut leuchten, als Zeichen der Sympathie: Er darf kein Köpfchen ohne Zukunftsvision sein, sondern muss Seelengröße besitzen, weil er ein Herz hat, das von Hoffnung erfüllt ist.
Charles Péguy[38] (1873-1914) schrieb mit seiner etwas heftigen Schärfe: „Eine Kapitulation ist im Wesentlichen ein Vorgang, bei dem man anfängt zu erklären, statt umzusetzen. Feiglinge waren schon immer Menschen mit vielen Erklärungen“. Auf dem Antlitz des Salesianers muss, als sympathische Note, immer auch die mutige Entschiedenheit zu einer praktischen Umsetzung leuchten. Don Bosco war fest entschlossen, Gutes zu tun, auch wenn er nicht mit dem Besten beginnen konnte; er sagte, dass seine Werke vielleicht in Unordnung begannen, um dann zur Ordnung zu gelangen!»

«Die Hoffnung legt auf das Antlitz des Salesianers neben der Tiefe der Betrachtung, der Freude über die Gotteskindschaft, der Begeisterung dankbarer Zuversicht (die jeweils aus dem „Glauben“ kommen) auch den Mut der Initiative, die Opferbereitschaft der Geduld, die Weisheit des schrittweisen Vorgehens in der Pädagogik, die Hochherzigkeit des Träumens, die Demut bei der praktischen Umsetzung, die Umsicht der Schlauheit und das Lächeln der Fröhlichkeit.»

5.2 Die Treue zu Gott: bis zum Ende
Bis jetzt haben wir einen Blick darauf geworfen, was Don Bosco und unsere Heiligen und Seligen in ihrem Leben klar zum Ausdruck gebracht haben. Es handelt sich um Elemente, die jeden und jede von uns persönlich und als Don-Bosco-Familie dazu drängen, die Hoffnung, über die wir „Rechenschaft ablegen“ sollen, zum Vorschein zu bringen oder – um es erneut mit den Worten von Don Egidio Viganò zu sagen – leuchten zu lassen, vor allem gegenüber den jungen Menschen und unter diesen gegenüber den ärmsten.

Es ist an der Zeit, ein wenig über das „unmittelbar Sichtbare“ hinaus zu „spähen“ und zu versuchen, zu erfahren, was uns im Leben erwartet und uns den Mut gibt, eifrig zu warten, während wir am Kommen des „Tags des Herrn“ mitarbeiten.

Richten wir nun unsere Aufmerksamkeit auf die Perspektive des „Lohns“, wobei wir uns weiterhin auf die freimütige und eindringliche Analyse des siebten Nachfolgers Don Boscos[39] beziehen.

Der Diamant des „Lohns“ befindet sich mit vier weiteren Diamanten auf der Rückseite des Mantels der Person aus dem Traum. Es ist fast ein Geheimnis, eine Kraft, die von innen heraus wirkt, die uns den Anstoß gibt und uns hilft, die großen Werte, die wir auf der Vorderseite sehen, aufrechtzuerhalten und zu verteidigen. Es ist interessant festzustellen, dass der Diamant des „Lohns“ sich unter dem der „Armut“ befindet, weil er sicherlich einen Bezug zu den damit verbundenen „Entbehrungen“ hat.

Auf seinen Strahlen stehen die folgenden Worte: „Wer sich einer großen Belohnung erfreuen will, der schrecke vor zahlreichen Mühen nicht zurück“. „Wer mit mir leidet, der wird sich auch mit mir freuen“. „Unsere Leiden auf Erden sind nur vorübergehend, jedoch die Freuden, die meine Freunde im Himmel genießen werden, währen ewiglich“.

«Der echte Salesianer hat in seiner Vorstellungskraft, in seinem Herzen, in seinen Wünschen und in seinem Lebenshorizont die Vision des Lohns, als die Fülle der vom Evangelium verkündeten Werte.» Deshalb „ist er stets ein froher Mensch. Er verbreitet diesen Frohsinn und versteht es, zur Freude des christlichen Lebens sowie zum Sinn für Fest und Feier anzuleiten“.[40]

Im Haus Don Boscos und in unseren salesianischen Häusern «sprach man oft vom Himmel. Das war eine dauerhafte und allgegenwärtige Idee», die in einigen bekannten Aussagen zusammengefasst wurde: «„Brot, Arbeit und Himmel“.[41] „Ein Stückchen Paradies macht alles gut!“[42] Das sind häufig auftauchende Sätze in Valdocco und Mornese.»

Gewiss erinnern sich viele Don-Bosco-Schwestern an «die Beschreibung von Mutter Henriette Sorbone über den Geist von Mornese: „Wir leben hier im Paradies, denn im Hause existiert das Milieu des Paradieses“.[43] Das lag sicher nicht an den Entbehrungen oder fehlenden Problemen. Es war wie eine spontane, aus dem Herzen kommende Übersetzung des Spruchs, den Don Bosco hatte anbringen lassen: „Servite Domino in laetitia!“ [= „Dient dem Herrn mit Freude!“].[44]

Auch Dominikus Savio hatte die gleiche warmherzige und übernatürliche Lebensaura wahrgenommen: „Unsere Heiligkeit soll in der Fröhlichkeit bestehen“.[45]

In den Biographien» von Dominikus Savio, Franz Besucco und Michael Magone «ist Don Bosco bestrebt, selbst wenn er die letzte Stunde beschreibt, diese unaussprechliche Freude, verbunden mit einer echten Unruhe nach dem Himmel, zu betonen. Mehr noch als den Schrecken des Todes spüren seine Jungen die Anziehungskraft von Ostern.»

«Der Gedanke an den Lohn gehört zu den Früchten der Gegenwart des Heiligen Geistes, das heißt der Intensität des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe, von allen dreien zusammen, auch wenn er enger mit der Hoffnung verbunden ist. Er flößt dem Herzen eine Freude und Fröhlichkeit ein, die von oben kommt und wunderbar auf die angeborene Sehnsucht des menschlichen Herzens abgestimmt ist. Wir sehen das, wenn wir unter den Jungen und Mädchen leben: Die Jugend erfasst intuitiv mit größerer Frische, dass der Mensch für das Glück geboren ist.

Aber wir müssen nicht einmal unter den jungen Menschen danach suchen. Nehmen wir einen Spiegel und betrachten uns selbst: Es reicht, die Schläge unseres Herzens zu hören. Wir sind geboren, um glücklich zu werden, wir erwarten es, auch ohne es zuzugeben.

Die in Don Boscos Haus immer gegenwärtige Idee des Paradieses ist keine Utopie aufgrund einfältiger Täuschungen, sie ist nicht das Zuckerbrot, das das Pferd dazu bringt, schneller zu laufen, sie ist nicht die substanzielle Angst unseres Seins; sie ist vor allem die Wirklichkeit der Liebe Gottes, der Auferstehung Jesu Christi, wirksam in der Geschichte, und die lebendige Gegenwart des Heiligen Geistes, die uns nämlich auf den Lohn hindrängen.»

Don Bosco «verachtete die Freude der jungen Menschen nicht. Im Gegenteil weckte er sie auf, steigerte und entwickelte sie. Die berühmte „Fröhlichkeit“, aus der die Heiligkeit besteht, ist nicht einfach eine innere Freude, die im Herzen als Frucht der Gnade verborgen ist. Das ist ihre Wurzel. Sie drückt sich auch äußerlich aus, im Leben, im Spielhof und im Sinn für Feste.

Wie er religiöse Feste, Namenstage und Feiertage für das Oratorium vorbereitete! Er kümmerte sich sogar darum, die Feier seines eigenen Namenstages zu organisieren, nicht für sich, sondern um eine Atmosphäre der freudigen Dankbarkeit zu schaffen.

Denken wir auch» an seine mutigen Herbstwanderungen: «zwei oder drei Monate zur Vorbereitung, 15 oder 20 Tage des Erlebens, dann die anhaltenden Erinnerungen und Kommentare: eine Freude, die sich in der Zeit» ausdehnt. Was für eine Phantasie und was für ein Mut! Von Turin nach Becchi, nach Genua und Mornese, in so viele Orte des Piemonts, mit Dutzenden Jungen … Wanderungen, Spiel, Musik, Gesang, Theater sind wesentliche Elemente des Präventivsystems, das – auch als pädagogische Methode – eine treffende und außergewöhnliche Spiritualität voraussetzt, Frucht eines überzeugten Glaubens, einer überzeugten Hoffnung und Nächstenliebe, […] Werte des Himmels hier auf der Erde.

Am Firmament von Valdocco zeigte sich immer, Tag und Nacht, mit oder ohne Wolken, das Paradies.» «Wenn wir heute die Werte des Lohns bezeugen, ist das eine dringende Prophetie für die Welt und vor allem für die Jugend. Was hat die technische, industrielle Kultur der Konsumgesellschaft gebracht? Enorme Möglichkeiten, es bequem zu haben und sich zu vergnügen», mit einer daraus folgenden bedrückenden Traurigkeit.

Unter anderem lesen wir in den Konstitutionen der Salesianer Don Boscos – aber das ist auch für jeden Christen gültig –, dass der „Salesianer [ein] Zeichen für die Kraft der Auferstehung“ ist und „in der Einfachheit und Arbeitslast des täglichen Lebens […] Erzieher [ist], der den Jugendlichen ‚einen neuen Himmel und eine neue Erde‘ verkündet und in ihnen zugleich Einsatzbereitschaft und die Freude der Hoffnung weckt“.[46]

«In Mornese und Valdocco gab es weder Bequemlichkeit noch Diktatur, alles atmete Spontaneität und Fröhlichkeit. Der technische Fortschritt hat viele Dinge vereinfacht, aber er hat nicht die echte Freude des Menschen vermehrt. Stattdessen haben Angst und Abscheu zugenommen, die Sinnlosigkeit des Daseins hat sich verschärft», was wir leider immer wieder – vor allem in den Wohlstandsgesellschaften – an den tragischen Statistiken über Selbstmorde von Heranwachsenden und Jugendlichen erkennen können.

Neben der materiellen Armut, unter der ein sehr großer Teil der Menschheit immer noch leidet, ist es heute dringend notwendig, «einen Weg zu finden, um der Jugend den Sinn des Lebens, die höheren Ideale und die Ursprünglichkeit Jesu Christi nahe zu bringen.

Man sucht das Glück, eine wesentliche Veranlagung des Menschen, aber man kennt nicht mehr den rechten Weg und so wächst eine immense Enttäuschung.»

Die jungen Menschen fühlen sich, auch aufgrund eines Mangels an Erwachsenen, die für sie bedeutungsvoll sind, nicht in der Lage, «mit Leid, Pflicht und ständiger Verbindlichkeit umzugehen. Die Frage der Treue zu den eigenen Idealen und der eigenen Berufung ist entscheidend geworden. Die Jugend fühlt sich unfähig, Leiden und Opfer auf sich zu nehmen. Sie lebt in einem Umfeld, in dem die Trennung von Liebe und Opferbereitschaft triumphiert», so dass das Streben allein nach dem Erreichen von Wohlstand am Ende die Fähigkeit erstickt, zu lieben, und somit von der Zukunft zu träumen.

Wie wir schon sagten, «steht der Diamant des Lohns genau unter dem der Armut, als wolle er uns zeigen, dass sich die beiden ergänzen und gegenseitig unterstützen. Tatsächlich bedeutet evangelische Armut eine konkrete und übernatürliche Sicht auf die gesamte Wirklichkeit mit einem realistischen Blick auch auf Verzicht, Leiden, Rückschläge, Entbehrungen und Strafen.

Was ist die innere Kraft, die dazu bringt, alles mit Zuversicht und einem fröhlichen Gesicht anzugehen, ohne sich entmutigen zu lassen? Letzten Endes ist es der Sinn dafür, dass der Himmel auf Erden gegenwärtig ist. Dieser Sinn entspringt dem Glauben, der Hoffnung und der Liebe, die uns das ganze Sein aus der Perspektive des Heiligen Geistes betrachten lassen.

Die Welt braucht dringend Propheten, die durch ihr Leben die große Wahrheit des Paradieses verkünden. Es ist kein entfremdendes Fliehen-wollen, sondern eine eindringliche, anregende Wirklichkeit!»

So «ist sich Don Bosco ständig der Sorge darum bewusst, die Vertrautheit mit dem Paradies zu pflegen, als wäre sie das Firmament des Verstandes, der Horizont des salesianischen Herzens: Wir arbeiten und kämpfen in der Gewissheit des Lohns, mit Blick auf das Vaterland, das Haus Gottes, das Gelobte Land.»

Es ist wichtig, klarzustellen, dass die Perspektive auf den Lohn nicht darin besteht, eine „Belohnung“ zu erhalten, eine Art Trostpflaster für ein Leben inmitten so vieler Opfer, Mühen … Nichts davon! Wäre es nur eine „Belohnung“, würde es einer Erpressung ähnlich sein. Aber Gott handelt nicht auf diese Weise. In Seiner Liebe kann er sich nur selbst dem Menschen schenken. Das ist – wie Jesus sagt – das ewige Leben: die Erkenntnis des Vaters. Wo „erkennen“ „lieben“ bedeutet, ein vollwertige Teilhaber Gottes zu werden, in Kontinuität mit dem irdischen Dasein, das „in Gnade“ gelebt wird, das heißt in Liebe zu Gott und den Brüdern und Schwestern.

Auf diesem Weg sind wir eingeladen, unseren Blick auf Maria zu richten, die «sich als tägliche Hilfe, als Wegbereiterin und Helferin der Christen zeigt. Don Bosco ist sich ihrer Gegenwart unter uns gewiss und will Zeichen setzen, um uns daran zu erinnern.

Für Sie hat er eine Basilika erbaut, Zentrum der Animation und Verbreitung der salesianischen Berufung. Er wollte Ihr Bild in unserem Lebensumfeld; er verband jede apostolische Initiative mit Ihrer Fürsprache und kommentierte gerührt ihre reale und mütterliche Wirksamkeit.» Denken wir zum Beispiel daran, was er den Don-Bosco-Schwestern in ihrem Haus «in Nizza sagte: „Die Muttergottes ist wirklich hier, hier, mitten unter euch! Die Muttergottes geht durch dieses Haus und bedeckt es mit ihrem Mantel“.[47]»

Neben Ihr «suchen wir im Haus Gottes auch weitere Freunde.» Unsere Heiligen und Seligen, beginnend mit den vertrautesten Gesichtern, die Teil des sogenannten «„salesianischen Gartens“ sind.

Wir treffen diese Wahl nicht, um das große Haus Gottes in kleine, private Wohnungen zu unterteilen, sondern um uns darin leichter zu Hause zu fühlen und um über Gott, den Vater, den Sohn, den Heiligen Geist, Christus und Maria, die Schöpfung und die Geschichte sprechen zu können, nicht mit der Angst desjenigen, der den hohen Vortrag eines dichten, schwierigen und sogar hermetischen Denkers gehört hat, sondern mit dem Gefühl der Vertrautheit und der freudigen Einfachheit, mit dem wir mit denen sprechen, die unsere Verwandten, unsere Brüder und Schwestern, unsere Kollegen und unsere Arbeitskollegen waren. Einige von ihnen haben wir im Leben nicht gekannt, aber wir fühlen uns ihnen nahe und sie flößen uns ein besonderes Vertrauen ein. Mit dem heiligen Josef, Don Bosco, Mutter Mazzarello, Don Rua, Dominikus Savio, Laura Vicuña, Don Rinaldo, Msgr. Versiglia und Don Caravario, Schwester Teresa Valsè, Schwester Eusebia Palomio usw. zu sprechen, ist wirklich ein Gespräch „zu Hause“», in der Familie.

«Das ist es, was uns der Diamant des Lohns anbietet: sich bei Gott, bei Christus, bei Maria, bei den Heiligen zu Hause zu fühlen; ihre Gegenwart im eigenen Haus zu spüren, in einer familiären Atmosphäre, die dem täglichen Lebensumfeld ein Gefühl von Paradies verleiht.»

6. MIT … MARIA – HOFFNUNG UND MÜTTERLICHE GEGENWART
Am Ende dieses Kommentars können wir nicht anders als unser Herz und unseren Blick auf die Jungfrau Maria zu richten, wie es uns Don Bosco gelehrt hat.
Hoffnung erfordert Vertrauen, die Fähigkeit, sich hinzugeben und anzuvertrauen.
Dabei haben wir in Maria eine Führerin und Lehrmeisterin.

Sie gibt Zeugnis davon, dass Hoffnung bedeutet, sich anzuvertrauen und sich hinzugeben, und das ist sowohl für das Leben auf der Erde als auch für das ewige Leben wahr.

Auf diesem Weg nimmt uns die Gottesmutter an die Hand und lehrt uns, wie wir Gott vertrauen und uns frei der Liebe hingeben können, die uns ihr Sohn Jesus vermittelt.
Die Anweisung und die „Navigationskarte“, die sie uns gibt, sind gleich: „Was er euch sagt, das tut!“[48] Eine Aufforderung, die wir jeden Tag in unserem Leben annehmen.

In Maria sehen wir die Verwirklichung des Lohns.
Maria verkörpert die Anziehungskraft und Konkretheit des Lohns: Sie wurde

„nach Vollendung des irdischen Lebenslaufs mit Leib und Seele in die himmlische Herrlichkeit aufgenommen und als Königin des Alls vom Herrn erhöht, um vollkommener ihrem Sohn gleichgestaltet zu sein, dem Herrn der Herren und dem Sieger über Sünde und Tod“.[49]

Wir können auf Ihren Lippen einige schöne Worte des heiligen Apostels Paulus lesen. Da diese vom Heiligen Geist, dem Bräutigam Marias, inspiriert sind, werden sie sicherlich von Ihr geteilt.

Sie heißen:
„Christus Jesus, der gestorben ist, mehr noch: Der auferweckt worden ist, er sitzt zur Rechten Gottes und tritt für uns ein. Was kann uns scheiden von der Liebe Christi? Bedrängnis oder Not oder Verfolgung, Hunger oder Kälte, Gefahr oder Schwert? […]
Doch in alldem tragen wir einen glänzenden Sieg davon durch den, der uns geliebt hat. Denn ich bin gewiss: Weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges noch Gewalten, weder Höhe oder Tiefe noch irgendeine andere Kreatur können uns scheiden von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserem Herrn“.
[50]
Liebe Schwestern und Brüder, liebe Jugendliche und junge Erwachsene,
Maria, die Helferin der Christen, Don Bosco und all unsere Heiligen und Seligen sind uns in diesem außergewöhnlichen Jahr nahe. Sie mögen uns dabei begleiten, das Heilige Jahr in der Tiefe zu leben, und uns helfen, die Person Jesu Christi, den „im Evangelium verkündete[n] Erlöser, der heute in der Kirche und in der Welt lebt“[51], in den Mittelpunkt unseres Lebens zu stellen.

Sie ermutigen uns, dem Beispiel der ersten von Don Bosco ausgesandten Missionare zu folgen und unser Leben immer und überall zu einer kostenlosen Gabe für andere zu machen, vor allem für die jungen Menschen und unter ihnen für die Ärmsten.

Zum Schluss noch ein Wunsch: Möge dieses Jahr in uns das Gebet für den Frieden, für eine befriedete Menschheit wachsen lassen. Beschwören wir das Geschenk des Friedens – den biblischen Schalom –, der alle anderen beinhaltet und nur in der Hoffnung Erfüllung findet.

In brüderlicher Umarmung

Don Stefano Martoglio SDB,
Vikar des Generaloberen


Rom, den 31. Dezember 2024


[1] Papst Franziskus, Spes non confundit, Verkündigungsbulle des Ordentlichen Jubiläums des Jahres 2025, Rom, 9. Mai 2024.

[2] Ebd.

[3] A. d. Ü.: Don Martoglio stützt sich in seinem Kommentar mehrmals auf die sog. Kapitel des Generalabtes der Zisterzienser, Mauro Giuseppe Lepori, nämlich hier seine Texte über die „Hoffnung in Christus“ von 2024, worauf er selbst zu Beginn von Abschnitt 4.2 hinweist. Diese sind in mehreren Sprachen unter www.ocist.org einsehbar. Die deutsche Version wurde für die vorliegende Übersetzung genutzt. In diesem Abschnitt greift Don Martoglio auf den dritten Vortrag mit dem Titel „Der Anker des Heils“ zurück: https://www.ocist.org/ocist/images/pdf/03DEKMA2024.pdf [aufgerufen: 17.01.2025].

[4] Vgl. Röm 8,39.

[5] Vgl. Röm 5,3–5.

[6] Messale romano, Rom: LEV 32020, 240 [A. d. Ü.: Seitenangabe der italienischen Ausgabe. Hier zitiert nach: https://www.ocist.org/ocist/images/pdf/03DEKMA2024.pdf].

[7] Vaclac Havel, zitiert nach: Byung-Chul Han, Der Geist der Hoffnung. Wider die Gesellschaft der Angst, Berlin: Ullstein 2024, S. 66f.

[8] Ebd., S. 67.

[9] Ebd.

[10] Ebd.

[11] A. d. Ü.: In diesem Abschnitt stützt sich Don Martoglio auf den vierten Vortrag des Generalabtes der Zisterzienser mit dem Titel „In der Hoffnung auf die Verheißung unseren Weg gehen“: https://www.ocist.org/ocist/images/pdf/04DEKMA2024.pdf [aufgerufen: 17.01.2025].

[12] C. Paccini – S. Troisi, Siamo nati e non moriremo mai più. Storia di Chiara Corbella Petrillo, Porziuncola, Assisi (PG) 2001.

[13] Vgl. Gabriel Marcel, Philosophie der Hoffnung, München: List 1957, S. 58.

[14] Byung-Chul Han, Der Geist der Hoffnung. Wider die Gesellschaft der Angst, Berlin: Ullstein 2024, S. 19.

[15] Erich Fromm, Die Revolution der Hoffnung. Für eine Humanisierung der Technik, München: dtv 21991, S. 23.

[16] 1 Petr 3,15.

[17] Papst Franziskus, Spes non confundit, Verkündigungsbulle des Ordentlichen Jubiläums des Jahres 2025, Rom, 9. Mai 2024, Nr. 9.

[18] Joh 17,3.

[19] Vgl. Röm 4,18.

[20] Papst Benedikt XVI., Enzyklika Deus caritas est, Vatikanstadt, 25. Dezember 2005, 1.

[21] K 3.

[22] Thomas von Aquin, Summa theologiae, IIa-IIae q. 17 a. 8 co.

[23] Vgl. E. LEVINAS, Totalität und Unendlichkeit. Versuch über die Exteriorität, München: Alber 1987.

[24] Bei diesen Überlegungen beziehe ich mich auf die reichhaltigen Gedanken des Generalabtes der Zisterzienser, Mauro Giuseppe LEPORI, Kapitel des Generalabtes OCist für den KMA 2024, Hoffnung in Christus, die in verschiedenen Sprachen auf der Webseite www.ocist.org zur Verfügung stehen. A. d. Ü.: In diesem Abschnitt stützt sich Don Martoglio auf den zwölften Vortrag des Generalabtes der Zisterzienser mit dem Titel „Warten auf Gott“: https://www.ocist.org/ocist/images/pdf/12DEKMA2024.pdf [aufgerufen: 17.01.2025].

[25] Vgl. Röm 5,3–5.

[26] E. Viganò, Un progetto evangelico di vita attiva, Elle Di Ci, Leumann (TO) 1982, S. 68–84. A. d. Ü.: Die dem Buch zugrundeliegenden Exerzitien von Don Viganò für die Don-Bosco-Schwestern wurden nicht ins Deutsche übersetzt. Herzlichen Dank an Sr. Maria Maul, Frau Hildegard Renner und Sr. Anna Feichtner, die in den Archiven der Don-Bosco-Schwestern nach einer deutschen Übersetzung gesucht haben.

[27] Vgl. E. Viganò, Profilo del Salesiano nel sogno del personaggio dai dieci diamanti, in: Amtsblatt 62. Jg (1981), Nr. 300, S. 3–37 [der italienischen Ausgabe]. Der vollständige Traum findet sich in: Amtsblatt 62. Jg (1981), Nr. 300, S. 40–44 [der italienischen Ausgabe] oder in: MB XV, 182–187.

[28] MB VIII, 444.

[29] K 18.

[30] P. Braido (Hrsg.), Don Bosco Fondatore “Ai Soci Salesiani”(1875-1885). Introduzione e testi critici, Rom: LAS 1995, 159.

[31] MB V, 442.

[32] MB V, 409. A. d. Ü.: „Bleib wohlbehalten, indem du andere rettest, rette dich selbst“.

[33] A. d. Ü.: Der Text von Don Viganò, auf den sich Don Martoglio hier stützt, richtete sich an die Don-Bosco-Schwestern.

[34] MB XII, 458.

[35] Ebd.

[36] F. Maccono, Santa Maria Domenica Mazzarello. Confondatrice e prima Superiora Generale delle FMA, Bd. 1, FMA, Turin 1960, 398.

[37] MB X, 893.

[38] A. d. Ü.: französischer Schriftsteller.

[39] E. Viganò, Un progetto evangelico di vita attiva, Elle Di Ci, Leumann (TO) 1982, S. 211–225.

[40] K 17.

[41] MB XII, 600.

[42] MB VIII, 444.

[43] Zitiert in: E. VIGANÒ, Den Geist von Mornese wiederentdecken, in: Amtsblatt des Generalrates der Salesianer Don Boscos 62.  Jg. (1981), Nr. 301, S. 50.

[44] Ps 100,2.

[45] MB V, 356.

[46] K 63. Siehe auch E. Viganò, „Rendere ragione della gioia e degli impegni della speranza, testimoniando le insondabili ricchezze di Cristo“. Jahresleitgedanke 1994. Kommentar des Generaloberen, Istituto Figlie di Maria Ausiliatrice, Rom 1993.

[47] G. Capetti, Il cammino dell’Istituto nel corso di un secolo, Bd. 1, FMA, Rom 1972–1976, S. 122.

[48] Joh 2,5.

[49] LG, 59.

[50] Röm 8,34–35.37–39.

[51] K 196.